KlimaaktivistInnen aus der ganzen Schweiz machen mobil – nur in Biel plant man weiterhin Anschlüsse im Siedlungsgebiet. Lest das Dossier der WochenZeitung und deren Einschätzung zur Situation in Biel im Artikel „Rückkehr des Monsters“.
Hier der Text des Artikels von Basil Weingartner (© WoZ):
Der Widerstand der Bevölkerung hat die Autobahn mitten durch Biel verhindert. Doch die Behörden arbeiten bereits an neuen Projekten.
Viele Jahre haben sich die Bieler:innen gegen den Bau der Westastautobahn mitten durch die Stadt gewehrt. Dann, Anfang 2021, der grosse Erfolg: Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) schreibt das Projekt ab.
Doch in Biel sind manche skeptisch, ob die Gefahr damit gebannt ist. Das Bieler Westastmonster ist zurück , schreibt das Komitee Westast – so nicht! im letzten Herbst. Es wirft den Behörden vor, hinter verschlossenen Türen bereits wieder Strassenprojekte zu planen, die nicht im Sinn der Stadtbevölkerung sind. Das Komitee hatte sich zuvor mittels des Öffentlichkeitsgesetzes Einsicht in unter Verschluss gehaltene Sitzungsprotokolle jener neuen Projektkommission gesichert, die unter Vorsitz des Bieler Stadtpräsidenten Erich Fehr (SP) künftige Verkehrsprojekte plant.
Bereits seit den fünfziger Jahren wollen die Behörden eine Autobahn durch die Stadt bauen. Ist erst eine Hochstrasse direkt durch die Innenstadt geplant, stehen später unterirdische Projekte im Vordergrund. 1999 genehmigte der Bundesrat den Westast. 2004 wurde das Projekt noch einmal überarbeitet. Trotz der weitgehend unterirdischen Streckenführung sieht es den Abbruch von 74 Häusern vor. Das Projekt beinhaltete zudem einen direkt neben dem Bahnhof liegenden, mehrstöckigen Autobahnanschluss, der den Verkehr direkt in die bereits überlastete Stadt führen sollte. Einem weiteren Anschluss sollten grosse Teile der Spiel- und der Badewiesen am See weichen.
Es gibt eine Alternative
Wenn man den Widerstand gegen ein solches Projekt organisiert, muss man als Erstes der Bevölkerung die enormen Dimensionen der geplanten Bauten klarmachen , sagt die ehemalige Chefredaktorin des Bieler Tagblatts, Catherine Duttweiler, die im Bieler Autobahnwiderstand eine zentrale Rolle spielt. Dazu organisierten die aus rund einem Dutzend Organisationen bestehenden Westastgegner:innen Stadtspaziergänge zu den geplanten Bauplätzen und erstellten massstabsgetreue Visualisierungen.
Unter dem Titel Westast – so besser! legten die Gegner:innen zudem einen planerischen Gegenvorschlag vor. Dieser beinhaltete zwar ebenfalls eine Schnellstrasse, aber keine zusätzlichen Anschlüsse und Hausabrisse. Der Vorschlag war so ausgereift, dass die Behörden ihr Projekt fortan nicht mehr als alternativlos verkaufen konnten.
Der damalige Stadtpräsident und heutige Ständerat Hans Stöckli (SP) setzte schon bald einen runden Tisch ein. Doch die Autobahngegner: innen sahen darin in erster Linie ein Ablenkungsmanöver der Behörden. Unter dem Motto »Biel bleibt laut» organisierten sie 2017 und 2018 mehrere grosse Kundgebungen. Auch mit Lobbying wurde Druck auf die Politik gemacht.
Ende 2018 folgte der erste grosse Erfolg: Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) kündigte an, einen richtigen Dialogprozess zu starten. Unter der Leitung des früheren UVEKGeneralsekretärs Hans Werder verhandelten Behörden und Interessengruppen in der Folge einen Kompromiss, der zur Abschreibung des Westastprojekts führte. Der Schlussbericht beinhaltet sechzig Empfehlungen.
Gemäss diesem sind dabei die tendenziell niederschwelligeren kurz- und mittelfristigen Massnahmen konsequent umzusetzen. Als langfristige Massnahme sieht der Kompromiss aber auch den Bau einer Nationalstrasse vor, der die Autobahnenden an den Stadträndern verbindet. Bei der Planung sollen aber die Auswirkungen der zuvor umgesetzten Massnahmen miteinfliessen.
Duttweiler und ihre Mitstreiter:innen werfen den Behörden nun vor, unter den sechzig Punkten in erster Linie die Autobahn und zwei weitere Strassenprojekte in Angriff zu nehmen. Kurzfristig umsetzbare, kostengünstige Massnahmen wie die Förderung des Veloverkehrs, ein Durchgangsfahrverbot für den Schwerverkehr oder ein Verkehrsmonitoring würden derweil nicht angepackt, so der Vorwurf.
Der Kanton plant mit Anschlüssen
Beim Kanton findet man derweil, dass die Gegner:innen den Kompromissentscheid selektiv auslegten. Viele der kurz- und der mittelfristigen Massnahmen seien in Prüfung oder bereits in Planung und Umsetzung. Regierungsrat Neuhaus bestreitet gegenüber der WOZ aber nicht, dass bald eine Machbarkeitsstudie zu neuen Autobahnstreckenführungen in Auftrag gegeben werden soll. Er lässt zudem wenig Zweifel daran, dass die Behörden die Autobahnlücke schliessen
wollen. Das sehe der Netzbeschluss aus dem Jahr 1960 so vor. Auch dass es neue Autobahnanschlüsse innerhalb des Siedlungsgebiets geben wird, wie sie die Gegner: innen ablehnen, schliesst er nicht aus. Der Bund finanziert das Autobahnstück nur, wenn es auch zusätzliche Anschlüsse gibt.
Mit dieser Aussage konfrontiert, sehen sich die Bieler Autobahngegner: innen in ihren Befürchtungen best tigt. Sollte der Kanton tatsächlich jetzt schon mit zusätzlichen Autobahnanschlüssen planen, sei dies falsch und eine Verletzung der getroffenen Abmachung, sagt Duttweiler. Der Kampf um den Bieler Westast geht somit in eine weitere Runde.
Hier gibt’s das PDF-Dokument des ganzen Artikels aus der WoZ.