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4.4. Störfälle

Nach Art. 3  Störfallverordnung (StFV) sind zur Verminderung von Risiken für Menschen und Umwelt alle geeigneten Massnahmen zu treffen, die nach dem Stand der Sicherheitstechnik verfügbar und wirtschaftlich tragbar sind.

Nach Anhang 2.4 StFV gilt insbesondere folgende Massnahmenpflicht:
Der Inhaber eines Verkehrswegs muss beim Treffen der Sicherheitsmassnahmen: a. den Verkehrsweg baulich so gestalten, dass durch die bei einem Störfall zu erwartenden Beanspruchungen keine weiteren schwerwiegenden Einwirkungen entstehen; b. den Verkehrsweg mit den erforderlichen sicherheitstechnischen Einrichtungen ausrüsten sowie die erforderlichen baulichen, technischen und organisatorischen Schutzvorkehrungen treffen; c. den Verkehrsweg mit ausreichenden Warn- und Alarmeinrichtungen ausrüsten; d. die Einrichtungen und den Betrieb der sicherheitstechnisch bedeutsamen Teile des Verkehrswegs überwachen und regelmässig warten; e. die erforderlichen verkehrslenkenden oder -beschränkenden Massnahmen für den Transport gefährlicher Güter treffen; f. die verfügbaren Informationen über den Transport gefährlicher Güter sammeln, auswerten und an das betroffene Personal weitergeben; g. zusammen mit den Ereignisdiensten eine Einsatzplanung für Störfälle erarbeiten und auf der Basis dieser Einsatzplanung periodisch Übungen durchführen.
Das Kapitel Störfallvorsorge des UVB (S. 246-256) verweist auf einen Kurzbericht, der in einem separaten Anhang zu finden ist (Nabla Engineering, Anhang 5.12).

4.4.1 Unfallrisiken

Der Bericht geht davon aus, dass mit dem Projekt die Unfallrisiken gegenüber dem Ausgangszustand zurückgehen. Darauf kommt es aber aus Sicht der StörV nicht primär an. Es stellt sich die Frage, ob die Risiken von Verkehrunfällen im Bericht  korrekt eingeschätzt wurden, namentlich aus folgenden Gründen:
Es fehlen in den Tunneln City und Weidteile Pannenstreifen. In beiden Tunnels finden Verflechtungen statt. Die Einfahrtsverflechtungen bei Biel-Centre erfolgen im Tunnelbereich.

Zu beachten sind folgende Verflechtungsrisiken:

a) Die vierspurige A5-Autobahn endet im Verzweigungswerk Brüggmoos: Bis zur Kantonsgrenze  hinter La Neuveville wird sie faktisch nur noch zweispurig fortgeführt. Die rechte Spur in Richtung Neuchâtel wird in den Tunnel Weidteile geleitet und sie ist gleichzeitig auch eine Ausfahrt in Richtung Kreuzplatz. Die linke Spur wird in Richtung Bern umgelenkt. Aus Richtung Neuenburg kommende Fahrzeuge müssen noch innerhalb des Weidteiletunnels auf die rechte Spur wechseln und werden dann im Brüggmoos auf die linke Spur der A5 eingefädelt. Hier wird auch die Einfahrt aus Richtung Kreuzplatz zugeführt. Sollte eine Richtung der A5 im Weidteiletunnel blockiert sein, wird die Einfahrt aus dem Kreuzplatz gesperrt, ebenso die Ausfahrt bei Biel-Centre.  

 Im Brüggmoos wird dann die A5 auf einer Tunnelseite im Gegenverkehr geführt. Eine verwirrende Situation. Zusätzlich müssen sich die Autofahrer im Brüggmoos, aus den Tunneln kommend, an die hellen  Lichtverhältnisse gewöhnen. Insgesamt ist das Brüggmoos eine komplexe Verzweigung mit verwirrenden unfallträchtigen Aufgaben.

b)Der Weidteiletunnel sieht aus wie eine richtungsgetrennte vierspurige A5-Autobahn. In Wirklichkeit ist es eine zweispurige A5. Die rechte Spur ist eine kombinierte Ein- und Ausfahrtspur. Von Solothurn kommende Fahrzeuge müssen im Weidteiletunnel auf die linke Spur wechseln. Die rechte Spur führt zur Ausfahrt Biel/Bienne-Centre. Aus Bern kommende Fahrzeuge sind auf der linken, der A5-Spur. Wer die  Ausfahrt Biel/Bienne-Centre benützen will, muss innerhalb des Tunnels auf  die rechte Spur wechseln. Das bedeutet, dass gleichzeitig sehr viele Fahrzeuge im Tunnel die Spur wechseln  und sich dabei kreuzen müssen. Dies bringt eine hohe Unfallgefahr mit sich und widerspricht den Richtlinien des ASTRA.

Im Citytunnel ist die jeweils rechte Spur eine kombinierte Ein- und Ausfahrtspur. Im Gegensatz zum Weidteiletunnel sind diese Spuren jedoch viel kürzer, die Spurwechsel- Manöver müssen also sehr viel schneller durchgeführt werden. Erschwerend kommt auf diesem Abschnitt hinzu, dass die Sicht im Tunnel durch Gefälle, Steigung und Kurven eingeschränkt ist. Die Unfallgefahr ist hier deshalb höher als im Störfallbericht prognostiziert.

4.4.2. Brandfall und Rauchentlüftung

Beide Tunnel verzichten auf Abluftkamine. Der UVB untersucht diesen Aspekt als Störfallrisiko nicht.  Es stellt sich die Frage, ob bei einem Brandfall nicht bessere Entlüftung notwendig wäre.

Der technische Bericht weist darauf hin, dass im Brandfall der in der Lüftungsrichtung hinter dem Ereignis liegende Abschnitt gesperrt werden muss (S. 40). Gemäss Richtlinie ASTRA 2008 sind Absaugsysteme zur Entlüftung bei Tunneln im Richtungsverkehr bei grosser Stauhäufigkeit ab einer Länge von 1‘400 Metern empfohlen. Von Stauwahrscheinlichkeit spricht der technische Bericht auf S. 39. Zudem stellt sich die Frage, ob im Bereich Bahnhof im Brandfall übermässige Luftimmissionen entstehen. Der UVB rechnet nur mit einem kritischen Bereich von 200 Metern bei der Tunnelöffnung als gefährdetem Gebiet. Dies ist die Regel bei offener Streckenführung. Rund um die Tunnelöffnung, welche gleichzeitig als Entlüftungssystem gilt, sollte eher ein Perimeter von 500 Metern im Brandfall als lufthygienisch gefährdet gelten. Diese Frage wird nicht untersucht.

4.4.3. Grundwasserschutz und Transport gefährlicher Güter

Auf S. 250 des UBV wird die Gefährdung des Grundwassers durch das Projekt unterschätzt. Obwohl das Trassee beim Anschluss Biel-West Grundwasserschutzgebiete durchschneidet, und obwohl grosse Teile des Trassees im oder über dem Grundwasser gebaut werden, fehlen Angaben zur Regelung des Befahrens mit gefährlichen Gütern. Die im UVB vorgeschlagenen Massnahmen zur Wasserentsorgung ab der Fahrbahn und die Vorschläge zum Explosionsschutz der Retentionsbecken gewährleisten unseres Erachtens keinen genügenden Grundwasserschutz im Störfall.

4.4.4   Ungenügende Störfallvorsorge

Insgesamt sind die Abklärungen zur Störfallvorsorge knapp und eher ungenügend erfolgt. Zumal die verkehrstechnischen Richtlinien für Nationalstrassen in Tunneln zunehmend verschärft werden, können Zusatzabklärungen und Nachbesserungen im Zug der Einsprache gefordert werden. Die Abklärungen reichen unseres Erachtens nicht, um alle Massnahmen zu definieren, welche ein Optimum an Sicherheit gemäss Anhang 2.34 StFV  gewährleisten.