Velo-Demo legt Verkehr auf der N5 lahm

Bielersee-Ufer – Rund 100 Velofahrer haben gestern gegen den Ausbau der N5 entlang des Bielersees protestiert. Ihrer Meinung nach wird die Strecke immer gefährlicher.

Und plötzlich geht nichts mehr: Verschiedene Organisationen, darunter Pro Velo, das Komitee «N5 Bielersee – so nicht» und Pro Natura Seeland hatten am gestrigen Sonntag zum Veloausflug auf der N5 am linken Bielerseeufer geladen. Rund 100 Personen sind dem Aufruf gefolgt und haben den Autoverkehr, nebeneinander auf der ganzen Breite der Fahrbahn radelnd, zeitweise praktisch komplett lahmgelegt.

Foto Joël Schweizer

Der Grund: Die Teilnehmenden protestierten mit dem bewussten Ausbremsen des motorisierten Verkehrs gegen die gefährliche Baustellensituation auf der N5 – und gegen den Ausbau der Strasse im Allgemeinen. Die Aktion hat einen Polizeieinsatz ausgelöst: Die neun verantwortlichen Organisationen vermeldeten gestern Nachmittag, die Kantonspolizei Bern sei kurz vor dem Ziel in Engelberg mit zwei Polizeiautos mit Martinshorn vorgefahren und habe die Personalien von mehreren Personen aufgenommen. Darunter auch Alfred Steinmann, Bieler SP-Stadtrat und Vorstandsmitglied des Komitees «Westast – so nicht», wie dieser in den Sozialen Medien selber mitteilte.

Der Verkehr staute sich aufgrund der Aktion offenbar während einer halben Stunde über zehn Kilometer entlang des Bielersees bis hin zum Guido-Müller-Platz in Nidau.


Keine Konsequenzen

Die Polizei bestätigte auf Anfrage von «Ajour», dass zwei Patrouillen vor Ort gewesen seien. Man habe die Personalien aufgenommen, um die verantwortlichen Personen festzustellen, so ein Polizist, der selber vor Ort war. Bis jetzt sei es zu keinem Verfahren gekommen, die Polizei habe bis dahin keine Missachtung eines Verbots festgestellt. Automobilisten, die wegen der Demo nicht überholen konnten und für die es wegen des Staus kein Durchkommen mehr gab, hätten sich bei der Polizei gemeldet, worauf diese ausgerückt sei. Die Polizei vor Ort hat gemäss den Angaben keine gefährlichen Situationen während der Demo feststellen können.

Die Velofahrerinnen und Velofahrer waren auf der ihrer Meinung nach gefährlichen Route entlang des Bielersees auf der N5 unterwegs. Sie wollten damit gegen die aktuelle Situation protestieren, wie es in einem gemeinsamen Communiqué der neun Organisationen heisst. Es sind dies: Pro Velo Biel / Seeland / Berner Jura, «N5 Bielersee – sonicht»,«Westast – sonicht», Pro Natura, Lebens-Qualität Biel-West, ClimatestrikeBiel, IG «Häb Sorg zur Stadt», Biel Notre Amour und «Gruppe S».

Als gefährlich erachtet wird die Route vor allem, weil die N5 derzeit zwischen dem«Gottstatterhaus» in Biel und Wingreis in Twann-Tüscherz totalsaniert wird. Laut dem Bundesamt für Strassen (Astra) sind die Arbeiten unumgänglich, um den Erhalt der Infrastruktur und die Verkehrssicherheit 50 Jahre nach dem Bau der Strasse sicherzustellen. Da die Fahrbahn während der Bauarbeiten teils massiv verengt wird, richtete sich das Komitee «N5 Bielersee – so nicht» bereits Mitte April in einem offenen Brief an das Astra und die Kantonspolizei. Die Gruppe beklagte in ihrem Protestschreiben eine «lebensgefährliche Baustelle» für Velofahrende und forderte zumindest eine Drosselung des Tempos im gesamten Baustellenbereich auf 30 km/h (das BT berichtete).

Gemeinde insistiert

Das Astra hatte bislang wenig Gehör dafür: Das Bundesamt habe keinen Aufwand gescheut, um die Baustelle zu sichern, liess sich Projektleiter Urs Herren im April im BT zitieren. «Die Baustelle ist sicher nicht gefährlich.» Und dennoch: In die Forderungen des Komitees stimmte Anfang Mai auch der Gemeinderat von Twann-Tüscherz ein, indem er in einer Mitteilung festhielt, dass die kilometerlange Baustelle auf der N5 «ohne Zweifel ein Sicherheitsrisiko» darstelle, insbesondere für Velofahrende. Die Gemeinde habe das Astra daher ebenso schriftlich gebeten, nochmals zu überprüfen, ob nicht zumindest an heiklen Stellen eine weitere Temporeduktion sinnvoll wäre. Zudem fordert die Gemeinde von den zuständigen Behörden eine Umleitungsempfehlung für den Schwerverkehr via Bern.

Der Protestbewegung, die gestern für rauchende Köpfe bei den Autofahrenden sorgte, ist das nicht genug. «Für Autos werden in der Region Millionen investiert, doch die Sicherheit der Velofahrenden kommt immer mehr unter die Räder», lässt sich Matthias Rutishauser, Geschäftsführer von Pro Velo Biel / Seeland / Berner Jura im Communiqué zitieren. Die Demonstranten sind der Meinung, dass das Bundesamt für Strassen mit dem Ausbau der N5 entlang des Bielersees eine Politik der vollendeten Tatsachen für eine Neuauflage der Westast-Autobahn betreibt. Dabei werde die geschützte Reblandschaft «Stück für Stück zerstört»–während die Strecke für Velofahrerinnen und Fussgänger immer gefährlicher werde. Die Teilnehmenden des «Veloausflugs» fordern ein Transitverbot für Schwerverkehr sowie eine gesamtheitliche Planung, die alle Verkehrsteilnehmer an beiden Ufern des Bielersees berücksichtigt.

Der Artikel aus dem Bieler Tagblatt vom 16.5.2022
mt/lsg/rb