Schreiben an die Behördendelegation

Das Komitee «Westast so nicht!» deponiert bei der Behördendelegation mit einem Schreiben sein Befremden über die anhaltenden Verzögerungen und das wiederholte Ignorieren zentraler Beschlüsse im Nachfolgeprozess zum Westast-Dialog, das wir auch hier publizieren:

Sehr geehrte Damen und Herren der Behördendelegation

Wir möchten hiermit unser Befremden über die anhaltenden Verzögerungen und das wiederholte Ignorieren zentraler Beschlüsse im Nachfolgeprozess zum Westast-Dialog deponieren. Die zweite Sitzung des «Forums» vom 1. November 2023 war diesbezüglich speziell ernüchternd:

  1. Laut Traktandenliste war vorgesehen, dass die Behörden endlich über den Stand der Umsetzung aller Erkenntnisse und Empfehlungen inkl. Quick Wins aus dem Schlussbericht vom 7. Dezember 2020 informieren. Ein entsprechendes «Tool, welches die Fortschrittskontrolle der Einzelvorhaben (sowohl der gemeinsamen Vorhaben wie auch der Einzelprojekte) und eine regelmässige Berichterstattung erlaubt», hätte laut dem von Ihren Behörden unterzeichneten EBBN-Gesellschaftsvertrag, Anhang 1, bereits per Mitte 2021 vorliegen müssen. Das Komitee «Westast so nicht» und weitere Organisationen hatten seither an fast jeder Sitzung eine entsprechende Übersicht verlangt, ohne Erfolg. Präsentiert wurde letztes Jahr lediglich eine Kleinstschrift verfasste, unleserliche Kompilation von Verkehrsmassnahmen bis hin zu einer Lichtsignalanlagen im Bözingenfeld ohne jeglichen Zusammenhang zum Westast.
  2. Für die Sitzung vom 1. November 2023 war auf Wunsch der Forums-Teilnehmenden das Astra für eine Präsentation zum Ausbau der Neuenburgstrasse eingeladen worden, wie auch in der Zusammenfassung der vorletzten Sitzung vom Mai 2023 nachzulesen ist (https://www.espace-bbn.ch/images/content/bilder/inhalt/aktivitaeten/BerichtEBBN-Forum2023.05.23.pdf). Ein entsprechender Auftritt des Astra wurde seit der ersten Sitzung der Reflexionsgruppe vom Mai 2021 immer wieder in Aussicht gestellt, ohne Resultat. Besonders störend: Die Vertreterin des TBA erklärte sich auf Anfrage für nicht zuständig, ebenso wie der EBBN-Präsident und die Bieler Stadtplanerin.
    Das Astra sollte übrigens im Mai 2022 auch den zuständigen Quartierverein in Biel-Vingelz informieren, blieb aber ohne Angaben von Gründen der Versammlung fern und hat die Information in den letzten eineinhalb Jahren nicht nachgeholt. Das Astra und die Stadt Biel liessen den Vingelz-Leist lediglich eine als «geheim» bezeichnete, nicht selbsterklärende und unkommentierte Powerpoint-Präsentation vorführen, welche weder fotografiert noch gefilmt werden durfte. Weder Bund, Kanton noch Gemeinde stellten sich in den letzten Jahren den Fragen und der Kritik der lärmgeplagten Bevölkerung.
  3. Schliesslich wurden wir mündlich und summarisch an der Sitzung von letzter Woche über die Gesamtmobilitätsstudie informiert, deren Umsetzung im Dezember beginnen soll. Die Vertreter:innen von TCS und des Komitees haben Einblick in den Projektbeschrieb verlangt, welcher schliesslich am letzten Freitagabend zugestellt wurde. Mit Erstaunen haben wir festgestellt, dass dieser krasse Lücken aufweist und schlecht aufgegleist wurde:

    • Die von unserem Komitee in ehrenamtlicher Arbeit mit dem international anerkannten Tunnelbauspezialisten Martin Gysel konzipierte Tunnelalternative «Westast so besser» (WASB) wird im 17-seitigen Dokument nicht einmal erwähnt – im Gegensatz zu Port- und Juratunnel. Der Grosse Rat hat die Behörden 2018 mit nur einer Gegenstimme aufgefordert, WASB zu prüfen, und der Expertenbericht kam zum Schluss, dass WASB – ein Tunnel vom Brüggmoos bis Rusel ohne offene Stadtanschlüsse – technisch gut machbar wäre. Die Tunnellösung WASB entspricht vollumfänglich den Leitlinien in den Empfehlungen zur langfristigen Lösung Im Schlussbericht zum Dialogprozess. Und in den letzten drei Jahren hat das Komitee bei jeder Variantendiskussion in der Reflexionsgruppe verlangt, dass WASB als kostengün-stige und vergleichsweise umweltschonende Variante bei den weiteren Planun-gen berücksichtigt wird, auch im Mai 2023. Damals hiess es: “Die Anregungen und Hinweise (dem Forums) werden nun als weitere Grundlage in die Erarbeitung  der Gesamtmobilitätsstudie einfliessen.” Wir verlangen, dass WASB wie mehrfach besprochen für die Gesamtmobilitätsstudie berücksichtigt wird.
    • Dass «Westast so besser» von den Behörden ignoriert wird, ist besonders stossend, weil diese Tunnelvariante von der Bevölkerung favorisiert wird: In der bisher einzigen repräsentativen Meinungsumfrage (Gassmann-Medien vom 13. November 2018) befürworteten 49% der Befragten WASB (während sich nur 21% für das offizielle Ausführungsprojekt Westast aussprachen, 16% für einen vollständigen Verzicht und 14% unentschlossen waren): https://westastsonicht.ch/archive/download/pictures/3b/t2d0yrxyjkii2hds67z8eov5w5i8z9/a5_umfrage_bt_13.11.2018.pdf

      Laut Aussagen am zweiten «Forum» hat ausgerechnet das Büro Transitec den Zuschlag für die Gesamtmobilitätsstudie erhalten, also jenes Büro, das Anfang 2020 einen krass fehlerhaften Variantenvergleich erstellt hatte, der von der Kerngruppe zurückgewiesen wurde: Er enthielt bei mehreren Varianten, insbesondere bei WASB, grobe Fehler sowie falsche Zahlen zu Baukosten und Landbedarf; beim Vergleich mit dem offiziellen Projekt wurde der Halbanschluss Seevorstadt schlicht vergessen. Aufgrund von Interventionen von Pro Velo und unseres Komitees (siehe Beilage) wurde das irreführende Transitec-Papier ausdrücklich aus den Materialien des Dialogprozesses gelöscht und nicht mehr weiter verwendet. Transitec hatte damals einseitig für den Juratunnel votiert.

      Schliesslich werden elementare Grundlagen wie die vom Kanton Bern und von der Dialoggruppe verabschiedete offizielle «4-V-Strategie als oberste verkehrspolitische Vorgabe» im Projektauftrag nicht erwähnt. Diese ist zwingend zu integrieren.

      Nachdem sich alle relevanten Interessengruppen in den Jahren 2019/2020 in einem aufwändigen Dialogprozess auf rund 50 Massnahmen geeinigt hatten, die für alle Verkehrsteilnehmenden hilfreich wären, scheinen sich die städtischen, kantonalen und nationalen Behörden drei Jahre später um den historischen Kompromiss zu foutieren. Damit besteht ein hohes Risiko, dass erneut für Hundert-tausende von Franken Studien am Volk vorbei erstellt werden – und die einseitigen Projekte am Schluss dennoch scheitern.

      Wir fordern anstelle der aktuellen Pseudo-Partizipation verbindliche Massnahmen:
    • Die konsequente Umsetzung der einstimmig verabschiedeten Massnahmen aus dem Dialogprozess
    • Die Einführung des seit zweieinhalb Jahren überfälligen Tools zur Überwachung der Massnahmen aus dem Dialogprozess bis Ende Jahr
    • eine umgehende Information des Astras über die Pläne für die Westastachse ab Seevorstadtkreisel Richtung Neuenburg
    • eine vollwertige und faire Berücksichtigung von «Westast so besser» in der Gesamtmobilitätsstudie
    • einen Wechsel des Beratungsbüros oder aber eine engmaschige Begleitung von Transitec unter Beizug von Fachleuten des Komitees zwecks Vermeidung erneuter grober Sachfehler sowie eine ganzheitliche Planung für den gesamten Perimeter Lyss – Biel – La Neuveville sowie eine bessere Zusammenarbeit von Bund, Kanton und Gemeinden

Da die Arbeiten an der Gesamtmobilitätsstrategie bereits im Dezember 2023 lanciert werden, erwarten wir Ihre Stellungnahme bis zum 15. November 2023.

Besten Dank und freundliche Grüsse

Catherine Duttweiler, Vorstandsmitglied Komitee Westast so nicht!  

Alfred Steinmann, Präsident Verein Gruppe S

Kopien: Astra-Direktor Jürg Röthlisberger, RR Christoph Neuhaus, Kantonsobering. Stefan Studer

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