Reflexionsgruppe: Viel Kritik an Sistierung durch Westast-Befürworter

Befürworter des Westasts wollen die Mitarbeit in der Reflexionsgruppe sistieren – und haben dies laut proklamiert. Dies hat viel Kritik ausgelöst, unter anderem in mehreren Leserbriefen.

Einem Streitgespräch mit unserem Komitee wollten sich die Vertreter von Wirtschaftsverbänden und Autolobby dann nicht stellen: Cécile Wendling, Peter Bohnenblust, Gilbert Hürsch und Matthias Gebel – sie alle verweigerten die Teilnahme.

Immerhin konnte unser Vorstandsmitglied Catherine Duttweiler dann in einem ausführlichen Interview Stellung nehmen: https://web.telebielingue.ch/de/sendungen/interview/2022-10-26

Westast-Befürworterin Cécile Wendling verweigerte die Teilnahme an einem Streitgespräch im TeleBielingue, ihr Statement wurde eingespielt. Links im Bild Catherine Duttweiler von «Westast so nicht», rechts Moderator Laurent Wyss.

Die Leserbriefe zum Thema:

Dialog ist nur möglich, wo er erwünscht ist

Leserbrief von Martina Rettenmund im Bieler Tagblatt vom 11.10.2022

Die Wirtschaftsverbände, das Komitee Pro A5-Westast und der TCS sistieren ihre Mitarbeit in der Reflexionsgruppe. Der Grund: Eine konstruktive Zusammenarbeit mit einzelnen Exponenten sei nicht möglich. Da scheinen einige etwas überempfindlich zu reagieren.

Erstens: Politik ist kein Ponyhof, es braucht die politische Auseinandersetzung.

Zweitens: Dialog ist nur möglich, wo er erwünscht ist. Die Reflexionsgruppe wurde von Verbänden und Behörden von Beginn weg als «Störfaktor» wahrgenommen.

Drittens: Eine Reflexionsgruppe ist, wie der Name sagt, eben gerade dazu da, zu reflektieren, abzuwägen und zu hinterfragen. Dass kritische Diskussionen für Behörden und Verbände zuweilen
mühsam sind, ist verständlich.

Doch es ist nötig: Sonst wiederholt sich dasselbe Trauerspiel wie bei der alten Westast-Planung, wo die Behörden vor sich hin und an der Bevölkerung vorbeiwurstelten. Denn, wie steht es im Communiqué der
Westast-Befürworter: Es gelte, «innert nützlicher Frist eine Alternative zum Westast als Umfahrungsstrasse zu erarbeiten.»

Das ist eine Umdeutung des Westast-Kompromisses: Es geht jetzt zuerst darum, die kurz- und mittelfristigen Empfehlungen für alle – für Fussgänger, Velofahrerinnen und Autofahrer – anzupacken.
Erst wenn diese umgesetzt sind, wird man sehen, welche weiteren Schritte langfristig nötig sind, also ob es einen weiteren Strassenausbau braucht.


Durchsichtige Manöver für Bieler Autobahn

Diskussionsbeitrag Westast, Vorstand Komitee «Westast so nicht!», Bieler Tagblatt vom 19.10.2022

Mit ihrem Austritt aus der Reflexionsgruppe attackieren vier Vertreter von Wirtschaft und Autolobby jene Gruppierungen, die die Westast-Schneise erfolgreich verhindert haben, darunter auch unser Komitee. Anstatt auf inhaltliche Kritik einzugehen, stören sie sich am Diskussionsstil – ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver. Gerne halten wir fest, wo die Umsetzung der Massnahmen für alle Verkehrsformen aus dem Westastdialog fast zwei Jahre nach dem Kompromiss steckengeblieben ist:

  • Die Behörden arbeiten hinter den Kulissen ausschliesslich an neuen Strassenprojekten: Sie prüfen neue Streckenführungen für eine Nationalstrasse durchs Seeland und den Jura, einen Autobahnanschluss in den Weinbergen am Bielersee sowie mitten in Ipsach. Zudem projektieren sie den Ausbau der Ländtestrasse – Neuenburgstrasse quer durch Bieler Wohnquartiere. Einschränkungen wie das LKWTransitverbot durch die Stadt haben sie nicht umgesetzt.
  • Die zwölf teils einfachen Massnahmen zugunsten von Fuss- und Veloverkehr und die 13 zugunsten des öffentlichen Verkehrs wurden nicht umgesetzt.
  • Die meisten kurz- und mittelfristigen Massnahmen, die rasche Verbesserungen für alle ergeben sollten, wurden bisher nicht angepackt; darunter eine sichere Velozufahrt zum Bahnhof.
  • Da verlässliche Daten zum Verkehrsverhalten fehlen, sollte bis Ende 2021 ein neues Monitoring zur Nutzung der verschiedenen Verkehrsmittel aufgebaut werden. Stattdessen haben die Behörden im September an nur drei Tagen ausschliesslich den Autoverkehr gemessen.
  • Für eine «Fortschrittskontrolle» zur Umsetzung der einzelnen Massnahmen aus dem Dialogprozess war ein Tool vorgesehen. Bis heute gibt es dieses nicht. Wir empfinden dieses Vorgehen, das von den Wirtschaftsverbänden unterstützt wird, als respektlos gegenüber dem historischen Westast-Kompromiss, der erstmals die Lebensqualität in der Stadt gleich hoch gewichtete wie das Recht zur freien Autodurchfahrt.

Wir werden dies weiterhin öffentlich kritisieren und in der Reflexionsgruppe alternative Vorschläge machen – auch wenn die Behörden und manche Verbände dies als «Einmischung» in ihre Angelegenheiten empfinden. Wir würden es bedauern, wenn die Reflexionsgruppe nach nur sechs Sitzungen aufgelöst oder ohne Bürgerbewegungen fortgeführt wird. Es braucht einen richtigen Dialog und kritische Debatten. So viel sollten alle Beteiligten gelernt haben.


Reflexion soll reflektieren

Leserbrief von Andrea Schürer, Biel, Bieler Tagblatt, 29.9.2022

Als langjähriges Mitglied des Vereins Westast so nicht und als langjähriges Mitglied des Vereins VCS kann ich nur mein grösstmögliches Erstaunen und Unverständnis äussern zu den kürzlich erfolgten Scharaden und Äusserungen rund um die Reflexionsgruppe.

Wie kann sich der VCS aus der Reflexionsgruppe zurück ziehen, wenn so viele Erwartungen der Bevölkerung, die im Partizipationsprozess der Espace Biel/Bienne Nidau geäussert und festgehalten wurden, sich nicht im Umsetzungsprozess befinden? Wie und wo wird das Zukunftsbild für die Stadt Biel geplant und umgesetzt? Soll ich mich mit Sommeraktionen fürs Stadtbild und temporären Bäumen in Töpfen vor dem Bahnhof zufrieden geben?

Cécile Wendling demaskiert ihr Bild von der Reflexionsgruppe, wenn sie diese letzte Woche als N5-Reflexionsgruppe bezeichnet. Espace Biel/Bienne Nidau hat mitnichten die solitäre Zielsetzung einer Autobahnstrecke zum Bau zu verhelfen, sondern soll die vielen, gleichwertigen Schlussforderungen der Dialoggruppe und die Ergebnisse der Partizipation durch die Bevölkerung zur Umsetzung verhelfen.
Ein Blick in den Gesellschaftsvertrag von Espace Biel/Bienne Nidau lohnt sich. Eine Reflexionsgruppe sollte dem Namen nach Reflektieren, was nicht immer angenehm ist und oft eben auch Neuland bedeuten kann, to think outside the box. Die Behördendelegation erlaubt es der Reflexionsgruppe, zu reflektieren, ein wenig wie einst der König dem Hofnarr gewährte, auch unangenehme Sichtweisen ans Licht zu bringen und zu ermahnen. Natürlich konnte ein Hofnarr dafür mit dem Kopf bezahlen,
aber dass die Reflexionsgruppe ein solches Schicksal ereilt, hätte ich in einer Demokratie nicht erwartet.
Wieso nimmt der VCS die Zielsetzung, die sich Espace Biel/Bienne Nidau in ihrem Gesellschaftsvertrag gegeben hat und seinerseits die Zielsetzungen des VCS, nicht ernst? Wieso soll der Vereinszweck von Westast so nicht, der nach Abschluss des Dialogprozess auf Wunsch der Mitglieder angepasst wurde, obsolet sein?

Kurz zur Erinnerung, Frau Wendling nennt die Gruppe: N5-Reflexionsgruppe und viele Beteiligte von Espace Biel/Bienne Nidau hören im Geiste schon die Bagger auffahren, zum Beispiel für einen Juratunnel und möchten damit genauso über Nacht Realitäten schaffen, wie das Astra dies am linken Seeufer tut. Ist es nicht genau der Sinn einer Reflexionsgruppe, einen Schritt zurück zu machen und zu reflektieren? Brauchen wir eine weitere Autobahnstrecke in ferner Zukunft? Ich erwarte vom VCS, dass er begleitend mitdenkt, mittels Vorschlägen mitgestaltet und wenn nötig ermahnt, ganz in Erfüllung seiner eigenen statutarischen Zielsetzungen.


Weiter kämpfen

Leserbrief von Emmanuel Heierle, Biel, Mitglied «Westast so nicht!», Bieler Tagblatt 12.10.2022

Entgegen anderslautenden Behauptungen von Urs Scheuss – Wortführer jener, die unseren Verein «Westast so nicht!» (Wasn) im Sommer auflösen wollten, aber im Verhältnis 1 zu 20 scheiterten – bleibt das öffentliche Engagement des Komitees Wasn wichtig. Der neue Vorstand hat zusammen mit uns Mitgliedern an zwei Workshops die Zielsetzungen neu definiert, die Statuten revidiert, sowie Mitgliederadministration und die Steuersituation bereinigt. Gemäss aktualisiertem Zweckartikel wird sich das Bürgerkomitee auch in Zukunft für umweltverträgliche Mobilitätsformen und gegen neue Nationalstrassenanschlüsse in der Stadt Biel engagieren – gerne im Dialog mit möglichst vielen Beteiligten.

Falls Wasn und andere, durchaus konstruktiv handelnde Organisationen, wider Erwarten aus der Reflexionsgruppe ausgeschlossen werden sollten, so sind bewährte Aktionen, wie zum Beispiel vor 2019, jederzeit denk- und wieder durchführbar. Die zur Berichterstattung verwendeten, audiovisuellen Interventionen von Cécile Wendling und Urs Scheuss waren qualitativ, in Inhalt und in Stil, ungewohnt bescheiden. Versuchten beide Protagonisten sich persönlich, und implizit auch ihre Organisationen,
mittels der Thematik «A5/N5» wieder in Erinnerung zu rufen? Wasn und sinnverwandte Partnerorganisationen werden in der Reflexionsgruppe weiter den Dialog pflegen, Lösungen werden
wo nötig weiterhin erarbeitet und vorgeschlagen werden, und ganz besonders wird die Umsetzung von im allgemeinen Konsens bereits beschlossenen, aber immer noch verzögerten Massnahmen weiter gefordert werden.