Die Schliessung der Netzlücke in Biel sei nur mit Autobahn-Anschlüssen möglich: Das behauptete der kantonale Baudirektor Christoph Neuhaus. Jetzt will er davon nichts mehr wissen.
Lino Schären, Bieler Tagblatt vom 31.3.2022
Planen die Behörden nach dem Tod des A5-Westasts nun heimlich an einer neuen Stadtautobahn oder nicht? Dieses Thema kommt in Biel nicht zur Ruhe. Aufgeworfen hatte den Verdacht das Komitee «Westast – so nicht» im vergangenen Herbst. Biels Stadtpräsident Erich Fehr (SP) versuchte, die Sorgen zu zerstreuen, indem er gegenüber dem «Bieler Tagblatt» versicherte, dass es nach dem riesigen Widerstand gegen das versenkte Projekt keine neuen Stadtanschlüsse geben wird. «Ich bin doch nicht wahnsinnig!», sagte er dezidiert.
Doch ausgerechnet der kantonale Baudirektor Christoph Neuhaus (SVP) goss daraufhin Öl ins bereits lodernde Feuer, indem er im BT verkündete, dass der Bund einen Juratunnel nur mit zusätzlichen Anschlüssen finanzieren werde. Dies, weil die Nationalstrasse sonst nicht die gewünschte Wirkung erzielen würde, da der meiste Bieler Verkehr hausgemacht ist. Neuhaus bezog sich dabei auf eine angebliche Aussage von Astra-Direktor Jürg Röthlisberger und kam daher zum Schluss: «Ohne Anschlüsse geht es also nicht.» Fehr warf Neuhaus daraufhin vor, mit unhaltbaren Äusserungen in Biel «den Brunnenvergifter» zu spielen.
Seither ist es ruhig geblieben in dieser Angelegenheit. Bis am Mittwoch die «Berner Zeitung» nachgelegt hat. Mit einem Artikel unter dem Titel «Kanton hortet Land für möglichen Autobahnanschluss» liefert sie den Befürchtungen der Autobahngegner neue Nahrung, dass bereits an neuen Stadtschneisen gearbeitet wird. Die Theorie der BZ: Der Kanton will nach der Aufhebung des Enteignungsbanns im Westast-Perimeter zwar den Grossteil der Grundstücke in seinem Besitz verkaufen. 19 Parzellen will er aber nicht veräussern und in seinem Portfolio behalten – darunter auch Grundstücke in der Seevorstadt.
Plötzlich wortkarg
Laut Kantonsoberingenieur Stefan Studer würden 10 der 19 Grundstücke für die Planung der Nationalstrasse zurückbehalten, da sie für einen allfälligen Bau des Porttunnels oder des Juratunnels benötigt würden. Beim Juratunnel handelt es sich um eine mögliche bergmännische Lösung, welche die Lücke im Nationalstrassennetz zwischen Solothurn und Neuenburg schliessen könnte.
Die BZ schlussfolgert also aus der «Landhortung» des Kantons in der Seevorstadt, dass dieser darauf abzielen könnte, dereinst nicht nur einen Tunnel im Berg, sondern auch einen neuen Stadtanschluss zu realisieren. Das wiederum würde zu den deutlichen Äusserungen von Neuhaus passen. Dieser begründete seine provokanten Aussagen zu den Anschlüssen im vergangenen November damit, dass man «nicht mehr sechs Jahre im Hinterzimmer denken und planen» wolle, «um dann alle vor den Kopf zu stossen».
Grund genug, Christoph Neuhaus erneut mit seinen Aussagen von damals und mit den neuen Erkenntnissen der BZ zu konfrontieren. Neuhaus ist zwar bereit zu einem kurzen Telefongespräch zum Thema. Er gibt sich jedoch am Rande einer Regierungsratssitzung kurz angebunden und ist ungewöhnlich wortkarg. Es ist offensichtlich: Über seine Aussagen von damals mag er, der nach seiner Wiederwahl vergangenen Sonntag wohl vier weitere Jahre kantonaler Baudirektor bleibt, eigentlich nicht mehr reden.
Christoph Neuhaus, im vergangenen November haben Sie gegenüber dem BT gesagt, dass der Bund einen Juratunnel nur mit zusätzlichen Anschlüssen finanzieren würde. Bleiben Sie dabei?
Christoph Neuhaus: Diese Aussage ist hinfällig.
Wie meinen Sie das? Sie haben sich damals auf eine Aussage von Astra-Direktor Jürg Röthlisberger bezogen, die dieser Ihnen gegenüber gemacht haben soll. Sie haben also beim Astra-Direktor nachgefragt und er hat relativiert?
Ich wiederhole, meine Aussage von damals ist hinfällig. Punkt.
War Ihre damalige Aussage ungeschickt oder sogar falsch? Sie haben damit in Biel für viel Wirbel gesorgt.
Sie ist nicht mehr aktuell. Wir beginnen bei allen Abklärungen bei null. Mehr gibts dazu nicht zu sagen.
Die «Berner Zeitung» wirft dem Kanton vor, im Bereich Seevorstadt Parzellen zu horten für eine allfällige Stadtzufahrt. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Er ist haltlos. Es gibt in Biel Leute, die offenbar bereits die Bagger auffahren sehen . Dabei leisten wir derzeit Grundlagenarbeit im Sinne des Westast-Dialogs. Ich kann den Westast-Gegnerinnen aber versichern: Sie können ruhig schlafen.
Mehr gibt es bei Neuhaus nicht zu erfahren, bei Nachfragen verweist er auf Kantonsoberingenieur Studer und auf Biels Stadtpräsident Fehr. Letzterer war am Mittwoch aufgrund einer bis in den Abend dauernden Gemeinderatssitzung nicht erreichbar. Gegenüber der «Berner Zeitung» wies er jedoch die Befürchtungen, dass hinter verschlossenen Türen Autobahnen geplant würden, erneut vehement zurück. Dass der Kanton präventiv erworbene Parzellen nicht verkaufe, sei zudem logisch, da zwar das Westast-Projekt abgeschrieben, nicht aber die Planung abgeschlossen sei.
Der Stadtpräsident betont zudem einmal mehr, dass es die Ergebnisse aus dem Dialogprozess zu respektieren gelte, die Prüfung eines allfälligen Juratunnels gehöre da dazu. Und dann nimmt er die Direktion von Christoph Neuhaus gar in Schutz: Dass dem Kanton dabei immer wieder unlautere Absichten unterstellt werden, störe ihn, das sei hinderlich für den Prozess.
Direkt ins Parking
Fehr ist seit dem Abschluss des Westast-Dialogs vor 15 Monaten bemüht, Ruhe in das Dossier zu bringen und beschwört ein ums andere Mal den gefundenen Konsens: Es werden kurz- und mittelfristige Massnahmen zur Verbesserung der verkehrlichen Situation geplant und umgesetzt. Und die Bieler Lücke im Nationalstrassennetz soll geschlossen werden – mit einer bergmännischen Lösung und ohne klassische Stadtanschlüsse. Ob es dereinst tatsächlich eine neue Autobahn im Westen Biels braucht, hatte Fehr jeweils offengelassen.
Der Fokus bei der Prüfung langfristiger Lösungen liegt bei den Behörden derzeit klar auf dem Juratunnel. 2023 soll eine Vorstudie zur Machbarkeit lanciert werden. Was dabei laut Fehr ebenfalls geprüft werden soll, ist eine unterirdische Anbindung an die Innenstadt. Der Unterschied zum klassischen Anschluss: Eine Zufahrt könnte direkt von der Autobahn in ein städtisches Parkhaus führen. Dafür müssten aber erst die gesetzlichen Normen angepasst werden. Auch die Prüfung dieser Parkhaus-Lösung ist Teil der Empfehlungen im Schlussbericht des Westast-Dialogs.
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