Bieler Autobahn: Neue Indizien Für eine allfällige Stadtzufahrt zu einem Jura-Autobahntunnel hält das kantonale Tiefbauamt entlang der Bieler Seevorstadt mehrere Parzellen zurück.
Von Simone Lippuner, Berner Zeitung
Die Gärten sind gross, die Altbauten teilweise hübsch saniert. Zwar ist es an der dicht befahrenen Bieler Seevorstadt laut, dafür ist man in wenigen Minuten am See oder im Stadtzentrum. Die Liegenschaften gehören teils Privaten, teils der Stadt oder dem Kanton: Dieser hat unter anderem an der Seevorstadt vorsorglich Landreserven für das Ende 2020 beerdigte Projekt eines Autobahn-Westasts mitten durch Biel angelegt. Auf Anfrage bestätigt Kantonsoberingenieur Stefan Studer nun, dass der Kanton einige dieser Parzellen zurückhält – und zwar genau dort, wo ein möglicher Anschluss zu einem Juratunnel realisiert werden könnte.
Das befeuert von neuem eine in Biel kursierende Befürchtung: dass genau dort, wo man den Westast mit den zwei monströsen Stadtanschlüssen gebodigt glaubte, bereits eine neue Planung für einen Stadtanschluss im Gang ist.
19 Parzellen sind betroffen
Es gehört zwar zur üblichen Strategie, dass der Kanton bei Grossprojekten vorsorglich Land erwirbt, um spätere teure Enteignungen zu verhindern. Jedoch läuft seit der Beerdigung des Grossprojekts eine Desinvestitionsstrategie. Das bedeutet: Der sogenannte Enteignungsbann, also die Auflage, dass Hausbesitzer im Planungsperimeter während einer bestimmten Zeit beispielsweise keine Verkäufe tätigen dürfen, wurde bereits aufgehoben. Trotzdem wird nunnicht alles Land freigegeben, welches der Kanton für den Westast vorsorglich gesperrt hatte: Er hortet noch fast 20 Parzellen. «Es ist vorgesehen, dass noch total 19 Parzellen im Portfolio des Kantons verbleiben. Alle übrigen im Rahmen des nun abgeschriebenen Westastprojekts erworbenen Parzellen sollen verkauft werden», bestätigt Kantonsoberingenieur Stefan Studer. Die 19 Parzellen würden sich hauptsächlich im Bereich des Porttunnels (Gemeinden Brügg und Port), im Bereich der Seevorstadt und im übrigen Perimeter des früheren Westastprojekts in der Stadt Biel befinden.
Für die Planung der Nationalstrasse würden aktuell «von den 19 noch 10 Parzellen zurückbehalten, die für einen allfälligen späteren Bau des Porttunnels oder für einen Juratunnel benötigt würden». Sobald die Ergebnisse der erwähnten Studien vorlägen und das weitere Vorgehen klar sei, werde gemeinsam mit dem Bundesamt für Strassen (Astra) definitiv entschieden, ob diese Parzellen noch benötigt oder verkauft würden. Stefan Studer betont, dass seit der Abschreibung des Westastprojekts keine neuen Grundstücke hinzugekauft worden sind.
Mit unterirdischer Zufahrt?
Dennoch: Die kantonale Strategie dürfte die Gegnerschaft weiter alarmieren, nachdem bereits im Februar dieses Jahres ein Aufschrei durch diese Kreise ging. Damals verkündete der kantonale Baudirektor Christoph Neuhaus, dass ein Juratunnel nicht ohne Stadtanschluss planbar sei, da der Bund ansonsten keine Gelder spreche.
Der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr (SP) kritisierte diese undiplomatische Aussage damals, sie könne nicht gestützt werden. Ein offener Anschluss mitten in der Stadt mache mit dieser Vorgeschichte keinen Sinn – und das betont Fehr auch heute. «Ich habe keine Kenntnis von einer neuen Planung in Sachen Stadtanschluss, und es gibt meines Erachtens auch keinen Grund zur Sorge, dass diese hinter verschlossenen Türen läuft.» Dass der Kanton bereits präventiv erworbene Parzellen noch nicht verkaufe, sei logisch, so der Stadtpräsident. Die Planung sei längst nicht abgeschlossen. «Die Ergebnisse des Dialogprozesses gilt es zu respektieren», betont Erich Fehr zudem. Die Prüfung eines allfälligen Juratunnels als Alternative gehöre hier dazu. «Ein klassischer Stadtanschluss wird aber kein Thema sein – einzig denkbar wären unterirdische Zufahrten, wenn die Normen geändert würden.» Dies sei aber noch Zukunftsmusik.
Unverständliche Angst
Der Stadtpräsident kann die latente Angst vor einem offenen Stadtanschluss nicht verstehen. «Es gibt keine harten Fakten, die dafür sprechen.» Es störe ihn, dass dem Kanton immer wieder unlautere Absichten unterstellt würden. «Das ist zudem hinderlich für den Prozess», ergänzt Erich Fehr. Punkt ist: Zwar wurde die Idee der Stadtautobahn mit zwei monströsen Anschlüssen am See und beim Bahnhof verworfen. Die Parteien des Dialogprozesses einigten sich aber auf den Kompromiss, dass Alternativen gesucht werden: Die Bieler Lücke im Nationalstrassennetz zwischen Solothurn und Neuenburg muss geschlossen werden.
Das bestätigt auch Kreisoberingenieur Stefan Studer: «Gestützt auf die Empfehlungen der Dialoggruppe, ist unter anderem vorgesehen, eine Studie zur langfristigen Schliessung der Netzlücke in Biel durchzuführen. Für die Behörden im Vordergrund steht dabei die Prüfung eines Juratunnels. Der Start der Studie ist für 2023 geplant.» Dieser Zeitung sagte Studer übrigens im letzten November, dass er «einen unterirdischen und stadtverträglichen Anschluss» von Biels Zentrum an den allfälligen Juratunnel nicht ausschliesse.
Lesen Sie hier den ganzen Artikel aus der Berner Zeitung vom 30.3.2022 im PDF-Format