Bieler Hauptverkehrsachse soll ein neues Gesicht erhalten

Die Verbindung von der Ländte- bis zur Bernstrasse in Nidau soll attraktiver werden – unter Einbezug der Bevölkerung. Die Westast-Opposition begrüsst das Konzept, hat jedoch auch Einwände.

Artikel von Beat Kuhn aus dem Bieler Tagblatt vom 3.10.2023als PDF-Dokument herunterladen.

Die Ländte-/Aarberg-/Bernstrasse ist die Hauptverkehrsachse durch Biel und Nidau. Nun soll sie auch für Anwohnende, Fussgänger und Velofahrerinnen attraktiver werden. Die Westast-Gegner finden das Projekt «wichtig» – kritisieren aber unter anderem das Tempo.

Die grosse Verkehrsachse durch Biel und Nidau beginnt im Westen mit der Ländtestrasse an der Kreisel-Kreuzung mit der Neuenburgstrasse und der Seevorstadt. Auf der Höhe der Senioren-Residenz Au Lac mündet die Ländtestrasse in die Aarbergstrasse, und diese wird beim Guido-Müller-Platz zur Bernstrasse, die im Brüggmoos schliesslich in die Autobahneinfahrt mündet.

Foto: Dominik Rickli, Bieler Tagblatt

Diese Durchgangsstrasse von Nordwesten nach Südosten ist heute von grosser Bedeutung für die grosse und die kleine Stadt. Und das soll grundsätzlich auch so bleiben, wie der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr (SP) gestern an einer Medienorientierung klarmachte: «Die Ländte-/Aarberg-/Bernstrasse wird auch in Zukunft eine wichtige Verkehrsachse sein, und zwar eine wichtigere, als wenn hier der Westast gebaut worden wäre.»

Quartiere vernetzen, Lebensqualität erhöhen

Abhilfe geschaffen werden soll hingegen bei den unschönen Seiten der Durchgangsstrasse. Denn, so Fehr, diese zerschneide die Quartiere und beeinträchtige die Lebensqualität der Bewohnenden. Die Achse und der angrenzende Raum sollen deshalb «neu gedacht» und «vom Durchgangsraum zum Lebensraum» werden.

Grob gesagt ist der westliche Teil der Achse im Besitz der Stadt Biel, während der östliche, der weitgehend über Nidauer Boden führt, dem Kanton gehört. So ist also auch Nidau mit dem grossen und dicht besiedelten Weidteile-Quartier stark tangiert.

Auf der langen Durchgangsstrasse, die heute stark auf die Bedürfnisse des motorisierten Individualverkehrs ausgerichtet ist, sollen attraktivere Verhältnisse für den Fuss- und Veloverkehr sowie für den öffentlichen Verkehr geschaffen werden. Beispielsweise werden laut Fehr künftig auch auf der Bernstrasse städtische Busse verkehren. Ein besonderes Augenmerk gilt der Sicherheit der Verkehrsverbindungen sowie den besonderen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen, aber auch der Velofahrenden.

Das Projekt hat den schönen Namen «Rue de Caractères», und dazu gibt es keine deutsche Variante, wie Fehr im frankofonen Teil seiner Ausführungen sagte. Auf die Frage, wie er das denn auf Deutsch übersetzen würde, schlug er «Strasse der verschiedenen Charaktere» vor. Mit dem Projektnamen wol- le man die Vielfalt der anliegenden Quartiere beschreiben.

Drei Frauen leiten das Strassenbauprojekt

Die Pressekonferenz der Städte Biel und Nidau sowie des Kantons diente als Startschuss zur Planung der Neugestaltung. Wohl damit die diversen Voten nicht im befürchteten Lärm der normalerweise stark befahrenen Achse untergingen, wurde nicht an der Strasse, sondern in einem Raum der Technischen Fachschule gegenüber dem Coop-Einkaufszentrum Bahnhof orientiert. Wie zum Spott hielt sich der Verkehr zum Zeitpunkt des Medienanlasses allerdings sehr in Grenzen.

Die Leitung des Strassenprojektes haben drei Frauen, nämlich Claudia Christiani, Kreisoberingenieurin des kantonalen Tiefbauamtes in Biel, die Bieler Stadtplanerin Florence Schmoll sowie Anna Steuri, Leiterin der Abteilung Infrastruktur in Nidau. Christiani betonte, dass ein unüblich breiter Einbezug der Bevölkerung vorgesehen sei, und dies sei eine grosse Herausforderung: «Wir sind gespannt, ob wir mit Inputs überschwemmt werden.»

Die Nidauer Gemeinderätin Sandra Friedli (SP), Vorsteherin des Ressorts Sicherheit, pflichtete Christiani bei, fügte aber hinzu, dass es auch um ein grosses Projekt gehe. Zudem sei die Beteiligung sehr wichtig, um im Volk eine breite Akzeptanz zu erreichen sowie zu verhindern, «dass an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei geplant wird».

Wird die Wirtschaft zu wenig einbezogen?

Zunächst einmal soll nun die Frage geklärt werden, welche Ansprüche denn die Bevölkerung überhaupt an die Neugestaltung hat – wobei neben den Quartierbewohnenden auch weitere Interessierte mitreden können. Der Einbezug erfolgt über drei Spaziergänge, einen Velorundgang und vier Ausflüge mit Kindern und Jugendlichen sowie über eine Online-Umfrage (siehe Infobox).

Mit den Spaziergängen übernehmen die Behörden ein wichtiges Instrument des Komitees «Westast – so nicht!», wie Sprecherin Catherine Duttweiler geltend macht. Unter anderem seien es nämlich die vom Komitee organisierten öffentlichen Begehungen vor Ort gewesen, welche die überdimensionierten Autobahnanschlüsse in der Stadt verhindert hätten: «Es freut uns, dass die Behörden unser Erfolgsrezept kopieren.»

Das Verkehrskonzept, das jetzt angepackt wird, sei eine der wichtigsten Massnahmen aus dem Westast-Dialog, der 2020 abgeschlossen wurde, macht Duttweiler klar. Allerdings moniert sie, dass die Behörden viel zu langsam arbeiten würden: «Die Verkehrsexperten unseres Komitees haben für diese Achse schon 2017 einen Boulevard skizziert.»

Duttweiler begrüsst den Einbezug der Bevölkerung, gibt aber zu bedenken, dass Partizipation keine Garantie für Erfolg sei. Die Stadt Biel mache aktuell sehr viele Partizipationsrunden, an denen sich Auto- und Wirtschaftsverbände jedoch nur marginal beteiligten. «So besteht die Gefahr, dass die Umsetzung der Projekte am Schluss an der Urne und an den Finanzen scheitert.»

Die Bemerkungen und Vorschläge aus der Bevölkerung werden bei der Ausarbeitung des Projektes berücksichtigt, wie die Verantwortlichen versprechen. Auch wird ein Wettbewerb für die Neugestaltung in Form von Studienaufträgen für interdisziplinäre Planungsteams durchgeführt. Die Ergebnisse dieses Wettbewerbs sollen bis Mitte 2025 vorliegen.

Über das Vorhaben, dessen jeweils aktuellen Stand sowie die Möglichkeiten zur aktiven Beteiligung wird laufend informiert auf der Website www.rue-de-ca-racteres.ch. Diese ist ab sofort aufgeschaltet.


Partizipation über Spaziergänge und eine Online-Umfrage

Die Quartierbevölkerung und weitere Interessierte sind aufgerufen, an den in drei Etappen stattfindenden, geführten Spaziergängen und am Velorundgang teilzunehmen.

Spaziergang «Ländtestrasse–Aarbergstrasse», Samstag, 21. Oktober, 15.00–17.30 Uhr, Treffpunkt Gymnasium Biel-Seeland. Spaziergang «Guido-Müller-Platz-Mühlefeld», Samstag, 28. Oktober, 9.30–12.00 Uhr, Treffpunkt Guido-Müller-Platz (vor dem Denner).

Spaziergang «Weidteile», Samstag, 28. Oktober, 15.00–17.30 Uhr, Treffpunkt vor der Migros Nidau. Velorundgang, Samstag, 4. November 2023, 15.00–17.30 Uhr, Treffpunkt Gymnasium Biel- Seeland.

Die vier Kinder- und Jugendausflüge werden in Zusammenarbeit mit den angrenzenden Schulen durchgeführt. Um die konkreten Bedürfnisse der Bevölkerung und von Interessengruppen zu sammeln, wird eine On-line-Umfrage zum Thema lanciert. Alle Teilnehmenden können sich detailliert zu «Mobilität und Verkehrsverbindungen», «Öffentlicher Verkehr», «Aktivierung der Erdgeschosse in den Quartieren» sowie «Grünflächen und Biodiversität» äussern. Die Teilnahme erfolgt online über www.rue-de-caracteres.ch.