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Schatz hinter dem Bahnhof

Monica Meyer emp­fängt uns vor dem schmuck re­no­vier­ten Haus. «Wir sind die Perle des Quartiers», be­merkt sie leise la­chend, nicht ohne Stolz. In der Tat: Rundum Häuser in schlech­tem Zustand, de­nen man an­merkt, dass seit Jahren kaum mehr in den Unterhalt in­ves­tiert wurde. Weil hier der­einst Ablageflächen für die Westast-Baustelle ein­ge­rich­tet wer­den sol­len, müs­sen die Häuser weg. Bis auf die ehe­ma­lige Giesserei am Wydenauweg 34, in der das Maschinenmuseum Müller un­ter­ge­bracht ist.

So hiess es  zu­min­dest bis, vor ei­nem Jahr. «Damals mel­dete sich die Firma Geotest bei uns, sie müss­ten auf dem Gelände Probebohrungen ma­chen – im Hinblick auf den ge­plan­ten Abriss der Liegenschaft», kommt Monica Meyer gleich zur Sache. Die Hiobsbotschaft traf sie völ­lig un­vor­be­rei­tet: Bis da­hin hatte man ge­glaubt, dass nach der Fertigstellung des Autobahntunnels rund um das Museum ein Park ent­ste­hen würde…

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Nicht im ent­fern­tes­ten hat­ten die Eigentümer da­mit ge­rech­net, dass das his­to­ri­sche Industriegebäude mit Baujahr 1901 ge­fähr­det sei, als sie es vor 16 Jahren to­tal sa­niert und um­ge­baut ha­ben: Auf zwei Stockwerken be­her­bergt es heute eine welt­weit ein­ma­lige Kollektion his­to­ri­scher Maschinen aus den Anfängen der Maschinen- und Uhrenindustrie. Das Dachgeschoss mit den mäch­ti­gen Sichtbalken wurde zu ei­nem Veranstaltungsraum aus­ge­baut. «Das Museum liegt ideal, zwi­schen See und Bahnhof – ein gu­ter Ort auch für Firmenanlässe, Hochzeiten oder Taufen», schwärmt Monica Meyer, die das pri­vate Museum lei­tet.

Besitzerin der Liegenschaft und Betreiberin des Maschinenmuseums ist die Muller Machines SA – ein alt­ein­ge­ses­se­nes Familienunternehmen, das welt­weit mit Occasion-Werkzeugmaschinen han­delt. Schon seit Jahren sam­mel­ten der heu­tige CEO Michel Müller so­wie sein Vater und des­sen Bruder his­to­ri­sche Raritäten, die sie vor­erst im Keller der Firma auf­be­wahr­ten. Der Traum vom ei­ge­nen Museum kon­kre­ti­sierte sich dann im Vorfeld der Expo 01.

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«Wir wa­ren eine kleine Equipe und ha­ben das ehr­gei­zige Projekt, ne­ben dem Tagesgeschäft in der Firma, mit viel Herzblut um­ge­setzt», er­zählt Monica Meyer, Geschäftsleitungsmitglied der Muller Machines SA.  – Der Einsatz hat sich ge­lohnt: Das Maschinenmuseum Müller ist ein­zig­ar­tig und ein fes­ter Wert in der Schweizer Museumslandschaft. Es ver­sam­melt un­zäh­lige kost­bare Einzelstücke aus der Hochblüte der Maschinen- und Uhrenindustrie. Bekannte Namen wie Schaublin SA Bévilard, Henri Hauser SA oder Mikron er­in­nern an die be­wegte Industriegeschichte der Region Biel und dar­über hin­aus.

Imposante Maschinen, wie etwa das Décolletage-Atelier aus dem 19. Jahrhundert, das noch bis vor we­ni­gen Jahren in Betrieb war oder die im­mer noch funk­ti­ons­tüch­tige Friktions-Spindelpresse aus Deutschland, Jahrgang 1909, ver­set­zen Besucherinnen und Besucher ins Staunen. «Diese Maschine wiegt 15 Tonnen und wurde vor über 30 Jahren ei­gent­lich für den Wiederverkauf er­wor­ben», weiss Monica Meyer und er­klärt, wie die Presse einst be­trie­ben wurde. Sie kennt die Geschichte je­der Maschine – ob gross oder klein – und be­schreibt ihre eins­tige Funktion.

Die Exponate sind nicht nur ein­la­dend aus­ge­stellt, son­dern auch gut do­ku­men­tiert. Das Maschinenmuseum Müller fi­gu­riert nicht zu­fäl­lig auch auf der Informationsplattform für Schützenswerte Industriekulturgüter der Schweiz ISIS. Die pri­vate Sammlung sei von na­tio­na­lem Interesse und müsse un­be­dingt er­hal­ten blei­ben, sa­gen Industriehistoriker der Universität Neuenburg. Auch Westast-Projektleiter Stefan Graf sei vol­ler Lob für das pri­vate Museum ge­we­sen, als er es vor rund zehn Jahren ein­mal be­sucht hat, er­in­nert sich Monica Meyer. «Als ich er­fah­ren habe, dass wir weg­kom­men, habe ich ihn gleich an­ge­ru­fen. Er sagte, dass es ihm leid tue um das Museum…»

Er habe dann vor­ge­schla­gen, man könne das Haus ja um 300 Meter ver­schie­ben, wie man es in Oerlikon mit dem his­to­ri­schen MFO-Gebäude ge­macht habe. «Ich fragte ihn, in wel­che Richtung er am ehes­ten vor­schla­gen würde… Niemals hät­ten wir in das Museum in­ves­tiert, wenn wir da­mals auch nur im ent­fern­tes­ten ge­ahnt hät­ten, was uns jetzt er­war­tet», sagt Monica Meyer – und stellt in Aussicht, dass Machines Muller SA im Rahmen der Planauflage Einsprache er­he­ben wer­den.

Noch be­steht Hoffnung – das letzte Wort ist längst nicht ge­spro­chen. Doch die Vorbereitungsarbeiten für die an­ge­drohte Zerstörung lau­fen wei­ter: Anfang Januar wurde im Garten des Museums er­neut ge­bohrt: Bei den ers­ten Untersuchungen hatte man fest­ge­stellt, dass der Boden rund um die alte Giesserei kon­ta­mi­niert ist. Deshalb müsste nun auch noch das Grundwasser in rund neun Metern Tiefe un­ter­sucht wer­den, er­klärt die Geologin. Das sei Routinesache, wenn auf ei­nem Grundstück ein Bauvorhaben an­stehe…

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© Text: Gabriela Neuhaus
© Bilder: Anita Vozza


Mitwirkungsverfahren im Centre Müller

«Gemeinsames Mitwirken»

Nebst den Stadtwanderungen bietet das Komitee «Westast so nicht!» zwei Workshops für Mitwirkungseingaben an:

- Donnerstag, 26. Januar 2017 von 18 bis 21 Uhr
- Samstag, 18. Februar 2017 von 14 bis 17 Uhr


im Centre Müller/Maschinenmuseum Müller, Wydenauweg 34, 2502 Biel

Link zum Museum